Gedanken zur aktuellen Rolle Deutschlands in Europa

Liebe Leserin, lieber Leser,

ein Blick über den eigenen Tellerrand lohnt sich immer. In Europa sehen wir dann etwa verwunderte Franzosen, die mit 56 Atomkraftwerken nicht verstehen können, wie schwer sich Deutschland allein schon mit dem Weiterbetrieb von nur drei Reaktoren tut, wie leichtfertig aber ausgerechnet die Berliner Ampel unter Beteiligung der Grünen auf klimaschädliche Kohle setzt. Und das, obwohl es sogar Klimaaktivistin Greta Thunberg für eine schlechte Idee hält, die Kohle der Atomkraft vorzuziehen.

Die Ampel geht in der Migrationspolitik einen Sonderweg in Europa

Wir sehen dann Schweden, wo Sozialdemokraten bereits 2015 damit begonnen haben, das liberale schwedische Asylrecht einzuschränken. Künftig wollen die Skandinavier in der Asyl- und Einwanderungspolitik gleich gar nicht erst mehr über das Minimalniveau der EU hinausgehen. Sie folgen damit dem linksregierten Dänemark, in das deutlich weniger Menschen aus Ländern außerhalb der EU einwandern, seitdem Sozialleistungen für Migranten gekürzt worden sind.

Ganz anders die Ampel-Koalition: Die geht einen Sonderweg und öffnet Tür und Tor für irreguläre Migration, indem sie höhere Sozialleistungen als andere EU-Staaten gewährt, ja diese noch weiter ausweiten will. Eine europäische Solidarität in der Flüchtlingspolitik, mit einem verlässlichen Verteilmechanismus, lässt sich so nicht etablieren.

Hafenbeteiligung Chinas ist ein Fehler!

Oder wir sehen die Griechen, die im größten Mittelmeer-Hafen Piräus erfahren mussten, wie mit chinesischen Investitionen die Abhängigkeit von Peking immer weiter zugenommen hat. Der Hafen stehe inzwischen unter voller Kontrolle der Chinesen, heißt es, und berge enorme Gefahren bei einer möglichen Eskalation zwischen Peking und der EU.

Doch als würde die Erfahrung mit der Gasabhängigkeit von Russland nicht schon genügen: Der deutsche Bundeskanzler hat seine Regierung dazu gedrängt, nun auch noch eine chinesische Reederei an einem Terminal des Hamburger Hafens zu beteiligen. Dabei hatten sogar Risikoanalysen seines eigenen Wirtschaftsministeriums davor gewarnt, dass im Krisenfall eine von China beeinflusste Infrastruktur „nicht oder zumindest nicht uneingeschränkt zur Verfügung“ stehen könnte. Nicht zuletzt ist die Zustimmung der Bundesregierung für den Einstieg Chinas bei einem Terminal des Hamburger Hafens aber auch ein Bruch mit dem Versprechen des eigenen Koalitionsvertrags, in Zukunft eine von Werten geleitete Außenwirtschaftspolitik zu verfolgen.

Frankreichs Präsident wirft Deutschland Isolierung vor

Nein, die Ampel blickt nicht über den Tellerrand. Sie blickt überhaupt nichts mehr. Es scheint, als sei der deutsche Michel beim Versuch, auch noch den letzten Tropfen Ideologie auszuschlürfen, mit dem Kopf in der Suppenschüssel steckengeblieben. Mehr noch: Statt eine Führungsrolle in Europa zu übernehmen, taumelt Berlin blind durch die Gegend, droht in Europa gar Porzellan zu zerschlagen.

So ist der deutsch-französische Ministerrat Ende Oktober abgesagt worden, weil Berlin mit Paris ausgerechnet in diesen Krisenzeiten massiv über Kreuz liegt. Von Kompromissfähigkeit keine Spur. Der französische Präsident machte jüngst sogar seinem Ärger Luft und warf Deutschland vor, sich zu isolieren. Ich weiß nicht, ob Dissonanzen in den deutsch-französischen Beziehungen jemals so deutlich zu Tage getreten sind. Dabei ist es inzwischen Allgemeingut: Ohne einen rund laufenden deutsch-französischen Motor gerät Europa ins Stottern.

Deutschland muss von anderen EU-Staaten lernen!

Dabei hat es uns Helmut Kohl 1992 ins Stammbuch geschrieben: „Nur wenn Europa mit einer Stimme spricht und seine Kräfte bündelt, kann es sein Gewicht angemessen zur Geltung bringen.“ Dreißig Jahre später beschwört die deutsche Bundesregierung den europäischen Geist zwar in der Theorie, ist aber offenbar überfordert, diesem auch in der Praxis Geltung zu verschaffen. Dazu würde auch gehören, nicht nur als oberster Lehrmeister in Europa aufzutreten, sondern auch bereit zu sein, von anderen Mitgliedstaaten zu lernen. Denn wenn die Ampel nicht bald anfängt, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, werden es die deutschen Bürgerinnen und Bürger sein, die die Suppe werden auslöffeln müssen.

Freundliche Grüße,
Ihr Andreas Deuschle

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